Social Media in der öffentlichen Verwaltung – Mehr Schein als Sein?
Unter dieser Überschrift fand im März 2020 der POSITIV-Workshop im Rahmen der vierten Morgenstadt-Werkstatt, dem Innovationsfestival für digitale Zukunftskommunen in Baden-Württemberg, statt. Denn prinzipiell können Kommunen durch die Nutzung von Sozialen Medien mehr Bürgernähe schaffen. Wie diese konkret eingesetzt werden und welche Potenziale und Herausforderungen sich dahinter verbergen – all das sind Fragen mit denen sich das Fraunhofer IAO im Forschungsprojekt „POSITIV“ beschäftigt, dass vom Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (vhw) gefördert wird.
Dazu wurden zu Beginn des Projekts die Forschungslandschaft und Literatur gesichtet sowie qualitative Experteninterviews, unter anderem mit deutschen Städten und Gemeinden, durchgeführt und ausgewertet. Diese Zwischenergebnisse zeigten ein erstes Stimmungsbild der Social-Media-Kommunikation von öffentlichen Verwaltungen und ihrer Bevölkerung, welche im Rahmen der Morgenstadt-Werkstatt im März 2020 am Fraunhofer IAO in Stuttgart diskutiert und erweitert wurden. Die Zielgruppe des Workshops waren hauptsächlich kommunale Akteure, die noch keine bis wenig Erfahrungen mit Sozialen Medien gesammelt haben, aber auch solche, die bereits Plattformen im Verwaltungsalltag nutzen.
Welche Chancen ergeben sich durch eine Social-Media-Nutzung? Wie sollte mit Herausforderungen umgegangen werden?
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich im Ergebnis einig, dass die Nutzung von Sozialen Medien gerade im digitalen Zeitalter unabdingbar und das Potenzial bzw. der Nutzen gerade zur Bürgerkommunikation erkennbar seien. Viele der Akteure haben ihrer Bevölkerung diverse Feedbackoptionen zur Verfügung gestellt, zum Beispiel für das Beschwerdemanagement oder für Mängelmeldungen, aber auch für Partizipationsfragen oder für die Teilnahme an Ideenwettbewerben. So können Feedback oder Meinungen der Bürgerinnen und Bürger zu bestimmten städtischen Themen schnell festgehalten, und dadurch die Kommunikation verbessert werden.
Gleichzeitig sind Risiken und Herausforderungen nicht auszublenden. Es besteht die Möglichkeit das bürokratische Strukturen einer Kommunalverwaltung mit dem Einsatz von Sozialen Medien kollidieren. Dies betrifft zum Beispiel die Öffnungszeiten einer Verwaltung, denn theoretisch „müssten“ die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 24/7 digital erreichbar sein. Die Lösung sind hier klare (Verhaltens- und Kommunikations-) Regeln bzw. eine Netiquette mit Reaktionszeiten aufzustellen. Auch im Umgang mit Shitstorms sei es wesentlich die Auswirkungen transparent zu halten, dass für Fehlverhalten bestimmte Maßnahmen ergriffen werden könnten. Allerdings ist hier zu betonen, dass kein vollständiger Schutz vor Shitstorms zu gewährleisten sei.
Unabhängig von den Chancen und Herausforderungen der Social-Media-Nutzung betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass ein Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung mit dem Einsatz Sozialer Medien einhergehen müsste. Es brauche eine „Digitalkultur“ und ein Selbstverständnis Soziale Plattformen im privaten als auch im beruflichen Kontext einzusetzen.
Welche Erkenntnisse nehmen wir aus der Morgenstadt-Werkstatt 2020 für POSITIV mit?
- Die hierarchisch-bürokratische Struktur einer Verwaltung ist eher gegensätzlich zu der Schnelllebigkeit und Flexibilität von Sozialen Medien.
- Die verwaltungsinternen Abläufe und gesetzlichen Vorgaben müssen jederzeit beachtet werden.
- Die Bevölkerung nimmt ihre Verwaltung meist nicht als Dienstleister wahr.
- Es sollten zusätzliche Stellen für Social-Media-Manager oder Verantwortliche geschaffen werden, da der Einsatz von Facebook und Co. auch anspruchsvolle Arbeit darstellt. Dafür fehlen vielen Städten meist die Ressourcen. Oder eine Kommune priorisiert ihre Ressourcen entsprechend anders und misst der Social-Media-Nutzung oftmals weniger Bedeutung zu.
- Ergo: Die Social-Media-Arbeit erfolgt in der Praxis meist On-Top.
Unser zentrales Anliegen ist es diese Erkenntnisse in unsere Studie einfließen zu lassen, Lösungsansätze für die offen gebliebenen Fragestellungen zu finden und schließlich Handlungsempfehlungen zu spezifizieren.